Zum 200-jährigen Bestehen der Kirche in Eddelak

Ein Beitrag zur Heimatkunde von Hugo Gehrts, 1940.

Zwei gleichartige Klingelbeutel, wohl 1740 (Aufnahme aus dem Landesarchiv SH (LDSH FJ 11/29)

Wenn wir von einem 200jährigen Bestehen der Kirche in Eddelak sprechen, dann meinen wir damit den noch jetzt vorhandenen Kirchenbau, dessen Einweihung am 3. Adventssonntage - 11. Dezember - 1740 erfolgte.

Die Kirche selbst ist sehr alt. Wohl alle dithmarscher Chronisten - von Neocorus an, der die Gründung sogar Heinrich dem Löwen zuschreibt, bis zu den jüngsten -, sind ihren Spuren nachgegangen und haben sich mehr oder weniger eingehend mit ihrer Entstehung und Entwicklung befaßt. Im April-Heft der Zeitschrift "Dithmarschen" vom Jahre 1937 hat Herr Wilhelm Johnsen in einer sehr verdienstvollen Arbeit "De Mönkenkarkhoff" weiteres zur Klärung der Geschichte der Eddelaker Kirche beigetragen. Es soll nicht Zweck dieses Aufsatzes sein, das wiederzugeben, was andere Forscher in teils mühevoller Arbeit ausgegraben und in Büchern und Zeitschriften veröffentlicht haben. Interessierte Kreise können das an Ort und Stelle selbst nachlesen. Ich möchte vielmehr hier von dem Kirchenbau von 1740 und von den daran beteiligten Personen erzählen, nebenbei auch einiger anderer Zeitgenossen, insbesondere der damals amtierenden kirchlichen Würdenträger in Eddelak gedenken.

Der Neubau der Eddelaker Kirche war notwendig geworden, weil die 1646 erneuerte Kirche nicht nur sehr baufällig geworden war, sondern auch, weil das Kirchengebäude infolge Zunahme der Bevölkerung sich als zu klein erwiesen hatte. Schon lange Jahre vorher hatte man sich mit dem Gedanken getragen, einen Neubau zu errichten, aber schlechte Zeiten zwangen dazu, den Plan hinauszuschieben. Als dann endlich wieder bessere Jahre ins Land kamen, entschloß man sich zu der Ausführung. Man nahm deswegen Fühlung mit den übergeordneten kirchlichen Behörden, insbesondere dem Meldorfer Konsistorium, und wahrscheinlich wurde von diesen Stellen als geeigneter Baumeister Johann Georg Schott in Heide empfohlen. Jedenfalls ergibt sich aus den alten Kirchenrechnungen, daß die Eddelaker wegen des Neubaues an diesen Mann schon im Jahre 1738 herantraten. Es war der Landesgevollmächtigte Thies Thießen, der in diesem Jahre als rechnungführender "Kirchenbaumeister" der Eddelaker Kirche am 15. November einen Betrag von 8 Schilling verbuchte, den er für einen Boten gezahlt hatte, der ihm berichtete, "daß Herr Schott in Marne wäre". ("Kirchenbaumeister" nannte man derzeit die Männer, die ehrenamtlich das Vermögen der Kirche verwalteten und auch die Aufsicht über die Baulichkeiten usw. hatten.) Am 16. November legte Thies Thießen die Summe von 1 Mark 2 Schill. dafür aus, daß er "Herrn Schott aus Marne abgeholt habe und mit ihm nach Brunsbüttel gereiset sei, um die Kirche allda zu besehen". Einige Monate später, am 26. Febr. 1739, war Thies Thießen in Heide, um mit Herrn Schott "der Kirchen halber" zu sprechen, wofür er 3 Mark in Rechnung stellte. Der Plan nahm jetzt festere Gestalt an, denn am 2. Juli 1739 war der Baumeister Schott persönlich in Eddelak, um mit der Kirchspielsversammlung einen "Accord" wegen der Kirche zu treffen. Es wurde alsbald ein Kontrakt errichtet, der am 23. August Herrn Schott in Heide zur Unterschrift vorgelegt und der bald darauf in Eddelak von dem Kirchspielsvogt und den Kirchspielsgevollmächtigten unterschriftlich vollzogen wurde. Der als Nachfolger des Thies Thießen neugewählte "Kirchenbaumeister" Tewes Tewes, der von Mitte Mai 1739 bis dahin 1740 die Kirchenrechnung führte, brachte am 5. Sept. 1739 den vollzogenen Kontrakt nach Heide zu dem Baumeister Schott. Noch an diesem Tage fuhren Tewes Tewes und Schott nach Tönning, um in der dortigen Garnisonkirche Altar und Kanzel zu besichtigen, und am nächsten Tage ritten die beiden von Heide nach "Weslingbuhren" (Wesselburen) und besprachen sich dort mit dem Bildhauer Albert Hinrich Burmeister, der für die Anfertigung des Altars und die Kanzel in Aussicht genommen war. Dabei wurde Burmeister aufgegeben, selbst nach Eddelak zu kommen oder den genauen Preis für den Altar usw. anzugeben. Im April 1740 beschloß die Kirchspielsversammlung, nachdem man sich offenbar auch mit Burmeister und anderen Handwerksmeistern geeinigt hatte, den sofortigen Abbruch der alten Kirche, und im Mai begann man bereits mit dem Neubau. Wegen der anzuleihenden Baugelder hatte man sich bereits vorher mit verschiedenen Kapitalisten in Verbindung gesetzt und die notwendigen Zusagen erhalten.

Wer war nun der Mann, dem man den Neubau der Kirche anvertraut hatte? Seinen Namen kennen wir bereits. Johann Georg Schott in Heide war damals schon ein Baumeister, der sich nicht nur in Dithmarschen, sondern auch im weiteren Schleswig-Holstein einen Namen erworben hatte. Und zwar nicht nur als Kirchenbaumeister, sondern als Baumeister überhaupt, denn nach dem großen Brande von Wesselburen im Jahre 1734 hatte er dort nicht nur die Kirche selten schön wieder aus der Asche aufsteigen lassen, sondern auch eine Reihe besserer Bürgerhäuser mit gutem Geschmack wieder aufgebaut. Auch in Heide und in anderen Orten Dithmarschens hatte seine Meisterhand stilvolle Bauwerke errichtet. Man hatte also einem bewährten Manne den Neubau der Eddelaker Kirche übertragen und dieser hat ihn auch zur Zufriedenheit der Eddelaker sowohl als jener Leute ausgeführt, die etwas von Baukunst verstehen. Zwar mußte der Baumeister sich mit der Tatsache abfinden. daß hier ein schlichter Zweckbau aus Gründen der Sparsamkeit geboten war, aber im Rahmen dieser Notwendigkeit hat er seine Aufgabe aufs beste gelöst und damit seinen guten Ruf befestigt.

Der freistehende Turm, im Jahre 1676 neu erbaut, wurde von dem Neubau nicht berührt.

Eine ausführliche Würdigung der Person und des Wirkens des Baumeisters Johann Georg Schott findet sich in einer fesselnden Abhandlung von Ernst Schlee in der Zeitschrift "Dithmarschen" (Jahrgang 1936, November/Dezember-Heft). Danach wurde der dithmarscher Landesbaumeister - diese Amtsbezeichnung führte Schott - im April 1690 in Vaihingen an der Enz (Württemberg) geboren, kam etwa um 1720 nach Heide und starb dort im Jahre 1753. Zwei Söhne überlebten ihn: Johann Georg und Nicolaus Conrad. Ersteren sehen wir später als Zimmermann und Müller in Hennstedt, letzteren als Müller auf der "Schottenmühle" in Heide. Nachkommen der Schott leben noch heute in Dithmarschen. Der Verfasser dieser Arbeit stellte kürzlich fest, daß der Kaufmann Johann Thießen in Marne aus einer mütterlichen Linie den Landesbaumeisters Schott zu seinen Ahnen zählen kann, während er väterlicherseits - ein merkwürdiger Zufall - von dem Eddelaker Landesgevollmächtigten und Kirchenbaumeister Thies Thießen, der s. Zt. die Verhandlung über den Kirchenbau mit Schott führte.

Kehren wir jetzt zu dem Neubau zurück, der im Mai 1740 in Angriff genommen und noch im Herbst desselben Jahres fertiggestellt wurde, so daß am 11. Dezember 1740 die Einweihung erfolgen konnte.

Abermals sehen wir jetzt Thies Thießen seines Amtes walten, der Tewes Tewes Mitte Mai 1740 als Kirchenbaumeister wieder abgelöst hatte. Thies Thießen wohnte übrigens auf dem jetzt von Walter Schoof bewohnten Hofe in der Nähe der Kirche. Ihm fiel die Aufgabe zu, die Gelder flüssig zu machen, die anzuleihen man beschlossen hatte. Im Mai wurden 1000 Mark von Boje Albers in Averlak und 1200 Mark von dem Kammerrat Lienau in Meldorf vorgestreckt, im Juli weitere 3000 Mark von Pastor Hellmann in Marne und 6000 Mark von Justizrat Sommer in Glückstadt, im August 1000 Mark von Peter Boje auf Josenburg und im Dezember erhielt man die restliche Anleihe von dem Konsistorialrat Müller in Meldorf und Johann Hartwig Lempfert in Itzehoe mit zusammen 3200 Mark. Mit diesen Geldern ließen sich die Baukosten größtenteils bestreiten. Schon während des Bauens begann man mit der Auszahlung der Baugelder. Am 10. Oktober 1740 zahlte man an den Glaser Michael Schröder aus Eddelak, der die Fenster geliefert hatte, 300 Mark, am 23. Oktober erhielt der Bildhauer Burmeister in Wesselburen für Altar und Kanzel 1500 Mark und am 7. Dezember endlich der Landesbaumeister Schott die vertraglich festgelegte Summe von 14 000 Mark. Bereits am 31. Dezember 1740 wurde das von dem Kammerrat Lienau angeliehene Kapital von 1200 Mark zurückgezahlt. Die gesondert aufgestellte Rechnung über den Neubau der Kirche schließt in Einnahme mit 17 492 Mark 2 Schilling, in Ausgabe mit 17 958 Mark 14 Schilling ab, so daß der Rechnungsführer Thies Thießen mit 466 Mark 12 Schilling im Vorschuß blieb. Diese Summe wurde ihm aber am 4. Dezember 1741 von seinem Amtsnachfolger Christopher Nordmann wieder erstattet. Übrigens hatte Thies Thießen, der ja nahe der Kirche wohnte, während des Kirchenbaues seine geräumige Hofstätte, sowie Haus und Scheune zur Verfügung gestellt. Dort wurde also die Kirche gezimmert. Für seine "vielfältig gehabte Mühe in der täglichen Aufwartung bei den Handarbeitern" wurde Thies Thießen später eine Entschädigung von 120 Mark gewährt. Wenn man sich vor Augen hält, daß die Baukosten von insgesamt etwa 17 000 bis 18 000 Mark nach der damaligen Kaufkraft des Geldes einen Betrag darstellten, der dem Wert eines 40 bis 50 dithm. Morgen großen Marschhofes entsprach, dann ersieht man die große Schuldenlast, in welche sich die Kirchen- und Kirchspielsgemeinde - damals eine Körperschaft bildend - gestürzt hatte. Diese wieder abzutragen, war daher die nächstliegende Sorge. Das gelang auch sehr schnell. Schon in den nächsten Jahren begann man damit, die Kirchenstühle (Kirchensitze) in der neuen Kirche zu verkaufen und erzielte daraus gewaltige Summen, so daß in der Kirchenrechnung von 1744 ein Einnahmeposten von 12 815 Mark für verkaufte Kirchenstühle erscheint. Allerdings erscheint in Ausgabe ein Betrag von 1825 Mark dafür, daß den Inhabern der Sitze in der alten Kirche diese mit je 5 Mark erstattet werden mußten, und zwar auf Grund einer "Hochfürstlichen gnädigen Resolution". Immerhin blieb ein Mehr von rund 11 000 Mark, womit der weitaus größte Teil der Anleihen wieder getilgt werden konnte.

Am 3. Adventssonntage 1740 - 11. Dezember - erfolgte die Einweihung der neuen Kirche, die sich selbstverständlich für die Eddelaker zu einem großen Ereignis gestaltete. Leider ist von der Feier nur noch bekannt, daß der 1. Prediger, Pastor Hartnack, die Einweihungsrede hielt. Ich möchte im Rahmen dieser Arbeit der beiden Geistlichen gedenken, die zur Zeit der Einweihung in Eddelak ihres Amtes walteten, zumal beide langjährige Seelsorger dieser Gemeinde und - jeder in seiner Art - interessante Persönlichkeiten waren. Während Pastor Hartnack, der erste Prediger, aus Dresden gebürtig war, erblickte der zweite, Diakonus Nicolaus Boje, in Eddelak das Licht der Welt.

Carl Emil Hartnack entstammte einer Theologenfamilie. Sein Großvater war Pastor bei Stettin, sein Vater zunächst Hofprediger bei August dem Starken in Dresden und später Pastor in Bramstedt, wo er auch starb. In Dresden wurde unser Hartnack am 27. August 1674 geboren. Sein Vater siedelte dann vorübergehend nach Altona und Schleswig über, an welchen Orten Hartnack die höheren Schulen mit Erfolg besuchte, um sodann auf der Universität Greifswald zu studieren. Ostern 1705 wurde er zum 1. Prediger in Eddelak gewählt. Schon am 29. Juni 1705 heiratete er die Tochter Dorothea Helena seines Amtsvorgängers Pastor Meyer, die nach 27jähriger Ehe im Jahre 1732 starb, ihren Mann mit 5 Kindern zurücklassend. 1744 starb auch Hartnack im Alter von fast 70 Jahren, so daß er die Einweihung der Kirche nur wenige Jahre überlebte.

Hartnack war ein wunderlich-eigensinniger Kopf, der, wie Pastor Schmidt, unser Eddelaker Chronist, schreibt, "seinen Namen durch die Tat ausdrückte". Mit den Eddelaker Diakonen stand er meistens auf gespanntem Fuße. Er überlebte während seiner 39jährigen Dienstzeit 3 Diakonen, von denen aber einer Eddelak deshalb den Rücken kehrte, weil er mit seinem älteren Kollegen nicht zu einem ersprießlichen Zusammenwirken kommen konnte. Erst der 4. Diakon, Nicolaus Boje, der Eddelaker, verstand es, ihm die Spitze zu bieten und gelangte mit dem alternden Herrn zu einem erträglichen Verhältnis.

Hartnack erlebte während seiner Eddelaker Amtsjahre schlimme Zeiten. Pestartige Erkrankungen rafften um 1712 viele Menschen hinweg, denen der Geistliche meistens das Abendmahl reichen mußte. Eine Legende besagt, daß Pastor Hartnack den Kranken das Abendmahl durchs Fenster zu reichen pflegte, um sich vor Ansteckung zu schützen. In den Jahren 1717 bis 1721 verwüsteten Sturmfluten das Kirchspiel, und es brach eine Zeit wirtschaftlicher Not herein, worunter auch die Geistlichen zu leiden hatten, da sie von den Erträgnissen ihrer Dienstländereien leben mußten.

Zwar übernahm Pastor Hartnack die Einweihungsrede in der neuen Kirche, aber mit der neuen Kanzel konnte er sich nicht befreunden. Er behauptete, sie sei ihm zu hoch. Tatsächlich wußte er es durchzusetzen, daß für ihn eine Stufe bei dem Taufstein erbaut wurde, von wo aus er fortan predigte. Die Stelle hieß noch während der Amtszeit des Pastors Schmidt - 1783 bis 1846 - Hartnack's Kanzel. Von hier aus schmetterte der trotz seines Alters immer noch streitbare Geistliche seine leidenschaftlichen Worte in die Kirche, und es galt als ein gar übles Vorzeichen, wenn er beim Betreten der Kanzel mit den Fingern sein ergrautes Haupthaar hinter die Ohren zurückschlug.

Hartnack's Leiche wurde 1744 in der Mitte vor dem Altar eingesenkt. Als dort an derselben Stelle im Jahre 1788 eine neue Gruft gegraben wurde, fand man nur noch eine sammetne Kalotte oder Mütze, die der Verstorbene getragen hatte. Es scheint also, daß Hartnack, entgegen der Mode der Zeit, eine Perücke nicht trug. Der sonderbare Mann ging wohl auch hierin seine eigenen Wege.

Als Hartnack's Verdienst, das insbesondere in der Zeit der Ahnenforschung zu Tage tritt, ist die Anschaffung und Einrichtung des ältesten Eddelaker Trauungs-Register, sowie die sorgfältige Führung sämtlicher Personenstandsregister zu würdigen.

Wir wollen Hartnack verlassen und uns dem 2. Prediger Nicolaus Boje zuwenden. Während des Neubaues der Kirche noch Diaconus, wurde er nach Pastor Hartnack's Tode 1744 zu dessen Nachfolger ernannt. Er entstammte einer uralten Eddelaker Patrizierfamilie und war am 14. März 1707 als Sohn des Kirchspielsvogts Claus Boje in Eddelak geboren. Am 1. Juni 1732 wurde er zum 2. Prediger in Eddelak gewählt. Es war ein Glück, so sagt wiederum Pastor Schmidt, "daß er eines Kirchspielsvogts Sohn und wohlhabend, in der Folge aber ein reicher Mann war, denn ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterlande und daheim bei den Seinen". Sein wunderbarer Kollege machte ihm wohl auch zuweilen allerlei Verdruß, doch verstand er ihn gut abzuweisen. Jedenfalls verstand es Boje, sich durchzusetzen und im Laufe der Jahre wurde er zu einer volkstümlichen Persönlichkeit, die sich allseitiger Beliebtheit erfreute. Vorübergehend besaß er einen 52 dithm. Morgen großen Hof auf Dingen, den er im Jahre 1747 mit Beschlag für 16 500 Mark an Thies Sühlßen in Westerbüttel verkaufte. Pastor Boje war viermal verheiratet. Während die beiden ersten Frauen bei dem 1. Kinde im Wochenbett starben, hinterließ er aus den Ehen mit der 3. und 4. Frau eine Reihe von Kindern. Der Verfasser besitzt noch ein Hochzeitsgedicht, das verfaßt wurde, als Pastor Boje am 21. Juni 1746 die dritte Frau heimführte, die eine Tochter des Eddelaker Kirchspielsvogts Boje Boje war. Die in Glückstadt bei Jacob Babst gedruckten Verse sind voll froher Laune, von einem "Freund und Verehrer des Boje'schen Namens" verfaßt und offensichtlich an einen Mann gerichtet, der das Leben liebte und kein Duckmäuser war. So haben wir uns diesen Eddelaker Pastor auch vorzustellen, der trotz seiner kleinen menschlichen Schwächen sich die Liebe und das Zutrauen der Gemeinde in einem Maße zu erwerben verstand, daß sein Andenken noch zu Pastor Schmidt's Zeiten "in Segen und unauslöschlich bei Kindern und Kindeskindern" war. Wie man es oft bei Leuten dieses Schlages findet, war Pastor Boje leider kein guter Verwalter seines durch große Erbschaften erworbenen Vermögens, so daß er trotz seines sagenhaften Reichtums in "sehr mittelmäßigen Vermögensumständen" am 14. Sept. 1781, 74 Jahre alt, starb.

Eine kleine Erzählung, die für die beiden verschieden gearteten Eddelaker Prediger von 1740 charakteristisch ist, mag hier wiedergegeben werden. Wenn Pastor Hartnack, der damals noch an der Landscheidung wohnte, wo das alte 1775 abgebrannte Pastorat lag, im Herbst und Winter des Sonntags im Kahn das Fleet entlang zur Kirche fuhr, und Pastor Boje, der im Diakonat bei der Kirche wohnte, noch in den Federn lag, ließ er sofort bei seiner Ankunft die Glocken läuten, so daß Boje sich Hals über Kopf in die Kleider werfen und in die Kirche eilen mußte, um den Unmut des älteren Kollegen nicht heraufzubeschwören.

Pastor Boje war ein ungewöhnlich hochgewachsener Mann, dessen Größe von keinem Kirchspielseingesessenen erreicht wurde. Er war, wie Pastor Schmidt schreibt, "einen Kopf länger als alles Volk".

In früheren Veröffentlichungen habe ich zum Ausdruck gebracht, daß das alte Eddelaker Akademiker-Geschlecht der Boje, dem auch der Pastor Nicolaus angehörte, wahrscheinlich im Mannesstamm erloschen sei. In diesem Irrtum waren auch andere Forscher befangen. Es hat sich herausgestellt, daß in Hamburg der Ingenieur Wilhelm Boje lebt, der ein Nachkomme des Pastors Nicolaus ist. Er hat nicht nur 4 Söhne, sondern auch zahlreiche Enkelkinder, so daß der alte Stamm kräftig grünt und blüht. Herr Wilhelm Boje suchte im verflossenen Jahre die alte Heimat auf, und der Verfasser hatte das Vergnügen, ihn in seinem Hause begrüßen zu dürfen.

Ob an den Einweihungsfeierlichkeiten am 11. Dezember 1740 auch hohe kirchliche und andere Würdenträger teilgenommen haben, was sehr wahrscheinlich ist, darüber war nichts zu ermitteln. Wohl aber vermerkt Pastor Boje im Taufbuche, daß am Tage der Einweihung die Tochter des Peter Struß auf Dingen und der Sohn des Claus Tiedemann auf Averlak als erste Kinder in der neuen Kirche getauft wurden. Die Struß sind ein altes, früher in Behmhusen und Dingen begütertes Bauerngeschlecht, das längst im Mannesstamm im Kirchspiel Eddelak ausgestorben ist, dessen Blut aber noch heute in dem alten Bauerngeschlecht der Lau und dem ehemaligen alten Tischler- und Zimmermeister-Geschlecht der Johannßen aus weiblichen Linien nachweisbar ist.

Am 3. Adventssonntage 1840 - 13. Dezember - wurde das hundertjährige Jubiläum der Kirche festlich begangen. Das "Königlich privilegierte, gemeinnützige, unterhaltende Itzehoer Wochenblatt" vom 25. Dezember 1840 brachte darüber aus der Feder des Eddelaker Adjunkten Asmußen eine ausführliche Schilderung, der wir auszugsweise folgendes entnehmen. Schon im Laufe des Sommers hatte man der Kirche durch "Säuberung des Innern und Ausmalen einzelner Teile" ein festliches Ansehen gegeben, auch das ganze Gebäude rundherum mit neuen Fenstern versehen. Am Tage vor der Einweihung waren aus Glückstadt 14 Hoboisten eingetroffen, die noch am Abend durch eine "einnehmende Musik von der Kirche aus den kommenden Festtag feierlich ankündigten" und durch die illuminierten Straßen des Dorfes marschierten. Die Predigt hielt am Jubiläumstage der Konsistorialrat und Probst Schmidt mit der, so heißt es wörtlich, "dem 84jährigen Greis noch immer eigenen Wärme und Herzlichkeit". Nachmittags versammelte sich die ganze Gemeinde in einem nahe der Kirche gelegenen Gasthause zu einer großen Feier, die wohl einen mehr weltlichen Charakter trug. Zum Andenken an diesen Tag entschlossen sich die Herrn Eggert Schmielau in Lehe und J. C. B. Fr. Piehl auf Josenburg, der Kirche eine neue Orgel zu schenken und führten diesen Entschluß auch alsbald aus.

Fünfzig Jahre später, am 3. Adventssonntage 1890, wurde das 150jährige Bestehen unter stärkster Beteiligung der Bevölkerung in der Kirche feierlich begangen.

Inzwischen sind wieder 50 Jahre vergangen und die Zweihundertjahrfeier steht vor der Tür, die, dem Ernst der Zeit entsprechend, am 15. Dezember durch einen feierlichen Gottesdienst in der alten Kirche schlicht und einfach begangen werden soll.

Quelle

Brunsbüttelkooger Zeitung 1940 (Jahrgang 52), Nr. 293 (13.12.), Nr. 294 (14.12.)
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