Eddelak in alten Chroniken

von Jens Martensen 2009

 

 

1. Einführung

Wann das Kirchspiel Eddelak in alten Urkunden / Verträgen als Objekt (Steuerzahler) oder als handelnde Partei (Vertragspartner) auftritt, ist weitgehend bekannt. Den Anfang macht eine Urkunde von 1140, als das Kirchspiel zwar noch gar nicht existiert, die Gegend aber unter dem Namen Ethelekeswisch wirtschaftlich stark genug ist für eine Steuerlast. Der nächste Schritt folgt erst rund 140 Jahre später, als das Kirchspiel 1281 einen Vertrag mit der Stadt Hamburg schließt.

 

Wann das Kirchspiel erstmals in alten Chroniken erwähnt wird, ist weniger gut bekannt. Das heißt jedoch nicht, dass man nicht doch fündig werden kann. Die bekanntesten frühen Chroniken aus den durch die Urkunden festgelegten Jahrhunderten stammen von Helmold von Bosau (+ nach 1177), Arnold von Lübeck (+ um 1212) und Albert von Stade (+ um 1264). Sie erwähnen Eddelak in keiner Form.

Erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts erscheint eine Chronik, in der das Kirchspiel Eddelak namentlich auftritt. Zwar ist Eddelak nicht auf Anhieb erkennbar, doch kann über die Identität kein Zweifel bestehen. Dieses Vorkommen - in Kap. XXX - soll hier vorgestellt werden.

 

2. Verfasser und Chronik

Der Verfasser der Chronik ist nicht bekannt. Er nennt sich selbst einen Presbyter der Bremer Diözese, aber Namen nennt er nicht, so dass sein - einziges - Werk unter dem Namen Presbyter Bremensis, Bremer Prediger, geführt wird. Seine Arbeit nennt er Chronica Holtzatiae, Holsteinische Chronik; sie ist im Stil der Zeit im Jahr 1448 in Latein entstanden. Erhalten sind mehrere Hand-Abschriften.

 

Die Chronik enthält das Kirchspiel Eddelak ein einziges Mal. Da der spätere Herausgeber der Chronik, J. M. Lappenberg, 1862 nicht nur den Text der Handschriften miteinander vergleicht, um auf Unterschiede aufmerksam zu machen, sondern versucht, die Ortsnamen zu identifizieren, erscheint Eddelak in den Anmerkungen - zum Kap. XV - irrtümlicherweise einmal zu viel.

 

3. Kap XV

(Lappenberg 1862, S. 31): Quem censum illi de Suderherstede, Suderuelle et Norderherstede ... dederunt ... (Diese Steuern haben jene von Süderhastedt, suderuelle und Nordhastedt ... gegeben.)

Die von Lappenberg in Anm. 11 vorgeschlagene Gleichsetzung Suderuelle = Siedenfeld würde das Kirchspiel Eddelak wegen seiner ehemals größten, aber unbewohnten Niederung Siedenfeld betreffen. Die Gleichsetzung ist jedoch nicht zwingend, denn aus dem Kontext heraus, der um die Mitte des 12. Jahrhunderts angesiedelt ist, bietet sich auf den folgenden Grundlagen eine Alternative an.

Beachtet man, dass die beiden ersten Ortsnamen mit demselben Bestimmungswort - suder- beginnen, dann liegt eine gleiche sprachliche Entwicklung wesentlich näher als eine auseinanderstrebende. Wenn also Suder- sich zu Süder- verändert, dann wäre ein weiterer Begriff mit Süder- (Himmelsrichtung) und nicht mit Sieden- (Höheneigenschaft) zu suchen. Ein solcher fehlt nicht.

 

Das Grundwort uelle (= velle) kann sich zu -feld entwickelt haben. Diese Annahme trifft Lappenberg auch. Wenn die Zusammensetzung Süderfeld aber als Orts- oder Landschaftsname nicht auf Anhieb gefunden werden kann, dann ist nach dem äußeren Zusammenhang zu fragen. Dieser bietet sich in der Gleichrangigkeit der beiden genannten Geestregionen um die Hauptorte Nord- und Süderhastedt mit dem gesuchten Begriff. Nimmt man also -feld hier als Begriff für eine hügellose, waldfreie Weite im Süden - des Landes Dithmarschen -, dann erscheint Suderuelle = Süderfeld in Gleichsetzung mit dem räumlich übergeordneten, Eddelak einbeziehenden Begriff Südermarsch erheblich begründeter / berechtigter / wahrscheinlicher. Eine indirekte und unabhängige Bestätigung findet sich in Boltens Dithmarsischer Geschichte, Band II, wo der Begriff Süderveld zur topografischen Abgrenzung der Südermarsch gegenüber der Süder-Geest benutzt wird. - Der fast gleichwertig benutzte Name Süderstrand betont nicht die Weite dieses Landstrichs, sondern die Küsteneigenschaft an Elbe und Nordsee.

Zwingend ist zudem eine Bevölkerung, denn es werden Steuern gezahlt. Schon aus diesem Grund scheidet der für ein relativ kleines, unbewohntes Gebiet vergebene Begriff Siedenfeld aus.

In diesem Kapitel XV ist das Kirchspiel Eddelak also nicht gemeint.

 

4. Kap XXX

Anders sieht es hier aus: Alie autem parrochie in Suderstrande, Eddeslande, Brunsbuttel et Marne difficulter ... destrui potest ... (Lappenberg 1862, S. 103). (Aber die anderen Kirchspiele am Süderstrand, Eddelak, Brunsbüttel und Marne, sind schwer zu zerstören.) Dank mehrerer Handschriften finden sich zusätzlich die nur gering abweichenden Formen Eidderlande und Eiddeslande.

Auch wenn die Schreibweise des ersten Kirchspielsnamens am Süderstrand zunächst überraschen mag, so lässt die Aufzählung doch keinen Zweifel daran, welches Kirchspiel außer Brunsbüttel und Marne gemeint sein kann, denn nur diese drei bilden den Dithmarscher Süderstrand. Die nächstgelegenen Kirchspiele Burg und Barlt liegen auf der Geest bzw. zählen zum Umland Meldorfs.

 

Wie diese Form des Namens entstanden sein kann, bleibt im Dunkeln. Auch sei dahingestellt, ob hier ein schlichtes Missverständnis vorliegt oder das Erinnerungsvermögen einen Streich gespielt hat, vielleicht gibt es sogar sprachliche Gemeinsamkeiten. Man kann lediglich davon ausgehen, dass das Kirchspiel dem Verfasser nicht persönlich bekannt war und der nordöstliche Grenzfluss Eider nicht mitgewirkt hat; letzterer trägt im gleichen Kapitel den latinisierten Namen Egdora = Eider.

 

Das Thema der Aussage, die Zerstörbarkeit, ist in eine Beschreibung des Landes Dithmarschen im 15. Jahrhundert eingebunden. Hier wird deutlich, dass die schlechte Zerstörbarkeit keine Folge von Befestigungen oder Wehranlagen, sondern durch eine schlechte Erreichbarkeit bedingt ist. Letztere zeichnet sich durch ungewohnte Wegeverhältnisse aus, die sich in der Vorstellung des Schreibers einerseits durch eine sumpfartige Landschaft und andererseits durch ausgedehnte Grenzmoore ziehen.

Einzelheiten aus dem Kirchspiel werden nicht erwähnt.

 

5. Verarbeitung durch Historiker

Sowohl die oben genannten drei Chroniken als auch die hier näher beschriebene des Presbyter Bremensis waren lange Zeit prägend für das Weltbild der Historiker. Aus diesem Grunde findet man fast wörtliche Übernahmen bei vielen späteren Autoren.

 

Als Beispiel sei nur Neocorus genannt, der 1598 seine eigene Chronik über Dithmarschen mit Hilfe des Presbyters fertigstellt. Er schreibt zwar nicht wörtlich ab, doch übersetzt er fast quellengetreu vom Lateinischen in sein Mittelniederdeutsch unter Beibehaltung der Ortsnamen in der Schreibweise der Vorlage. Dementsprechend lautet der aus Kap. XXX übernommene Satz (Neocorus 1598, 192): ... sunder de ander Caspell in Süderstrandt, Eidderlande, Brunsbüttel unnd Marne = außer den anderen Kirchspielen am Süderstrand: Eidderlande, Brunsbüttel und Marne. Sein Text bleibt irreführend.

 

Offensichtlich ist ihm die Quellentreue wichtiger als das Verständnis, denn sein eigenes Wissen zieht Neocorus nicht zu einer Richtigstellung heran. Oder hat er wenig Kenntnisse vom Süderstrand?

 

Das Kirchspiel Eddelak liegt zu seiner Zeit - 1598 - im südlichen Teil Dithmarschens, im königlich-dänischen Teil. In seiner Übersicht der Dithmarscher Kirchspiele heißt es folgerichtig: Koninglicher Majestet angehörig. ... Eddelacke (Neocorus 1598, 210).

Bei dem heutigen Stand der Geschichtsforschung können die geschilderten Beobachtungen nur mit Kuriositäten verglichen werden, die im Laufe der Zeit immer wieder vorkamen.

 

Literatur

Bolten, Johann Adrian: Dithmarsische Geschichte, Band II (Flensburg 1782), S. 349.

Adolfi's, genannt Neocorus, Chronik des Landes Dithmarschen 1598, Band I (Kiel 1827), Reprint (Leer 1978).

Presbyter Bremensis, Chronicon Holtzatiae, In: Lappenberg, J. M. (Hrsg.), Quellensammlung der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte 1 (Kiel 1862).
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