Was verbirgt sich hinter dem "Eddelaker Topf"?

von Jens Martensen 2008

Wer sich mit dem so genannten Eddelaker Topf beschäftigen will, kommt an einer Sammlung im Heimatmuseum Marne - Marner Skatclub von 1873 - nicht vorbei, der Sammlung des früheren Marner Arztes Dr. Rudolf Hartmann. Diese in mehreren Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zusammengestellte Sammlung wurde in Archäologischen Fachkreisen bekannt, weil ihr Besitzer im November 1877 durch einen Zufall auf Funde in Eddelak aufmerksam wurde, mit denen er seine Sammlung bereichern konnte und die ihn für ein halbes Jahr neben seinem Beruf intensiv beschäftigten.

 

Am Ende der einmaligen Aktion verfasste er 1878 einen Zeitungsbericht[1}, der heute noch die Grundlage der Beurteilung dieses Teils der Sammlung bildet.

 

Die Behandlung der Funde wurde möglich, weil drei Voraussetzungen erfüllt waren:

- Der Landwirt Hermann Claußen aus Behmhusen wollte im Winter 1877/78 die Ertragskraft einer Ackerfläche verbessern. In der Marsch war dazu die Methode des "Püttens" weit verbreitet, mit der in Handarbeit aus 3 - 4 m tiefen und etwa gleich breiten Gräben die nährstoffhaltigen Bodenschichten gewonnen und an der Ackeroberfläche verteilt wurden.

 

- Der an vorgeschichtlichen Funden interessierte Eddelaker Pastor Hans Heinrich Petersen, der in den Vorstand des noch jungen "Museums für Dithmarsische Alterthümer" in Meldorf berufen worden war, erhielt Kenntnis von den beim "Pütten" in großen Mengen auftretenden Gefäßscherben, Knochen und anderen offensichtlich sehr alten Gegenständen.

 

- Pastor Petersen informierte Dr. Hartmann, der als Landarzt in der Südermarsch bereits einen Ruf als Sammler von "Alterthümern" besaß. In der überwiegenden Mehrzahl handelte es sich zwar um Funde aus der Stein- und Bronzezeit, aber sein Fachwissen war doch gefragt, so dass er von Petersen mit Fundstücken konfrontiert und an den Fundort geführt wurde.

 

Entscheidend für den Erhalt der Funde waren die Bereitschaft von Claußen, Hartmann sammeln zu lassen, und die Verpflichtung der Landarbeiter durch Hartmann, alle Fundsachen vorsichtig zu bergen und nur ihm zu übergeben, indem er sie im voraus bezahlte.

Abb. 1: Etikett der Eddelaker Funde. (Foto: Hein)

Diese Maßnahme erwies sich als vorausschauend, denn schon bei seinem nächsten Besuch vor Ort wurde ihm außer einer großen Menge Scherben ein vollständig erhaltenes Tongefäß übergeben. Dieses Gefäß bildete seitdem das Prunkstück der gesamten Sammlung. Das Gefäß erhielt die Nr. 1 in seinem Katalog der so genannten "Eddelacker Funde".

 

In der Folgezeit sind derartige Gefäße oder ihre Reste an den verschiedensten Orten der Westküste gefunden worden, auch über Dithmarschen hinaus. Wegen seiner Merkmale und seines guten Erhaltungszustandes blieb jedoch das Eddelaker Gefäß für die Wissenschaft ein klassifizierendes Muster in einem Herkunfts-, Typen- und Zeitschema. Fritz Tischler [2] führte 1939 die sprechende, handlichere Bezeichnung "Topf vom Eddelaker Typ" ein, aus der sich die Kurzform "Eddelaker Topf" entwickelte. Seitdem werden alle Gefäße, die die gleichen Merkmale wie Hartmanns Nr. 1 aus dem Marner Museum aufweisen, als "Eddelaker Topf" bezeichnet, so dass man auch in anderen Museen und von anderen Fundorten "Eddelaker Töpfe" finden kann.

Abb. 2: Eddelaker Topf aus Behmhusen, gefunden 1877. (Foto: Stadt Marne)

Die Arbeiten förderten die verschiedensten Gegenstände zutage. Hierdurch angeregt ließ der Ackerflächennachbar Boie Dohrn auf seinem Grund ebenfalls graben. Die hier geborgenen Funde bestätigten und vermehrten Hartmanns bisherigen Funde. Alle Funde wurden mit einem klebenden Etikett markiert, so dass sie in jedem Museumsbestand leicht zu identifizieren sind, und im Zeitungsbericht beschrieben; der Bericht enthält dadurch den ersten Katalog.

Zwar konnte Hartmann zu diesen Funden anfangs nicht viel sagen, weil er hier auf etwas für ihn Neues gestoßen war, doch vermutete er auf Grund der großen Streuung der Funde spontan einen "kolossalen Urnenfriedhof". Da er sich aber sofort und während der gesamten Fundzeit fachlichen Rat bei Johanna Mestorf in Kiel vom dortigen "Museum Vaterländischer Alterthümer" holte, ließ er sich in der Hauptsache bald von ihrer Ansicht überzeugen [3]:

Durchstoßen hatte man die Reste einer alten Siedlungsstätte, einer Flachsiedlung in der noch unbedeichten Marsch, von der die Kunde nun an die Fachleute gelangte.

Nachdem Mestorf die ersten Stücke gesehen hatte, konnte sie auch den Zeitraum der Besiedlung bestimmen. Aus dem Fundmaterial ließ sich archäologisch eine Siedelzeit von etwa 200 bis 250 Jahren in der Kernzeit der Römischen Kaiserzeit erschließen, von 50 bis 300 n. Chr.

Dem Eddelaker Topf ist anzusehen, dass er sich gut als Gebrauchsgefäß, als Vorratsgefäß eignet. Diese Einschätzung wird durch den Inhalt gestützt, der zwar nach über 1.500 Jahren nicht mehr von Hartmann definiert werden konnte, aber keinesfalls aus Leichenbrand bestand, was eine Verwendung als Urne ausschließt.

Hartmann konnte nur einen Teil aller Funde für sich gewinnen. Einen Teil überließ er Johanna Mestorf als Beleg und als Gegenleistung für ihre Beratung. Er konnte außerdem nicht verhindern, dass außerhalb der Arbeits- und seiner Besuchszeiten weitere Funde gemacht wurden, die auf verschiedene Weise ihren Weg in das Museum in Meldorf fanden und jetzt ebenso wie neue Funde [4] von 1935 im Archäologischen Landesmuseum in Schleswig inventarisiert sind.

Am Ende seines Lebens versuchte Hartmann, seine gesamte Sammlung an das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin zu verkaufen, was aber misslang. Den abschlägigen Bescheid hat er selbst nicht mehr erlebt, so dass eine Aufteilung der großen Sammlung durch seine Erben drohte. In dieser Phase kaufte sein Schwiegersohn Carl Bünz aus Marne, der in jungen Jahren Amtsrichter in Eddelak (1871-1876) gewesen und nun kaiserlicher Gesandter in Mexiko war, den anderen Erben ihre Anrechte ab, um 1910 die Sammlung seiner Vaterstadt Marne mit deren Einverständnis und unter Auflagen zu schenken.

1920 erwarb die Stadt das Haus des Marner Skatclubs in der Museumstraße. Hier konnte sie ab 1928 die wichtigsten und schönsten Stücke der Sammlung in eine ständige Ausstellung integrieren. Die Sammlung als Ganzes musste im Laufe ihres Daseins viele Störungen überstehen: Sie wurde ohne echte Notwendigkeit mehrfach verlagert, aufgeteilt, wiedervereinigt, verliehen, umgepackt, rückgeführt, kurz: immer wieder misshandelt, so dass sie bis heute an Umfang verloren hat. Erst seit dem Jahre 2007 befindet sich der größte Teil der Sammlung Hartmann-Marne wieder am Ausgangsort. Der Eddelaker Topf aber, der in der wissenschaftlichen Literatur irrtümlich auch schon als verschollen beschrieben wurde, erfreut im Heimatmuseum "Marner Skatclub von 1873" immer noch Fachleute und Publikum.

Der Fundort wurde 1927 einfach und deutlich beschrieben [5]: "Auf einer Marschfenne (... die zweite zu Westen des Behmhusener Schulhauses, südlich der heutigen Chaussee)". Im heutigen Zustand ist den weiterhin der Landwirtschaft dienenden Flächen an der Behmhusener Straße (K 3) nicht anzusehen, welche Aufmerksamkeit sie zum Ende des 19. Jahrhunderts auslösten.

 

Literatur

1 R. Hartmann, Bericht über den Alterthumsfund bei Eddelack in Süderdithmarschen. In: Itzehoer Nachrichten (Itzehoe 1878), Nr. 60-62.

2 F. Tischler, Der Topf vom Eddelaker Typ, In: G. Schwantes (Hg.), Darstellungen aus Niedersachsens Urgeschichte 4, Lax (Hildesheim 1939), S. 307-322.

3 J. Martensen / D. Meier, Ein Marner Arzt als erster Marschenarchäologe, In: Dithmarschen, Boyens (Heide 2004), Heft 2, S. 35-43.

4 Bohrungen nach einer vorgeschichtlichen Siedlung bei Eddelak, In: Eddelaker Nachrichten (Eddelak 1935), Nr. 82, 83, 108, 110, 111.

5 G. Marten / K. Mäckelmann, Dithmarschen (Heide 1927), S. 510.
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